Krebsimpfstoffe stellen eine revolutionäre neue Therapieform dar, die das Potenzial hat, die Behandlung von Krebs grundlegend zu verändern, denn sie mobilisieren das körpereigene Immunsystem gezielt gegen Krebszellen.
Krebsimpfstoffe wirken, indem sie das Immunsystem dazu anregen, Krebszellen als Bedrohung zu erkennen und zu zerstören. Dies geschieht durch die Einführung von Tumorantigenen – wie spezifischen Proteinen oder Peptiden, die ausschließlich auf Krebszellen vorhanden sind. Diese Antigene können entweder direkt injiziert oder in dendritische Zellen eingebracht werden, die sie präsentieren und eine Immunantwort auslösen.
In der Krebstherapie unterscheiden sich präventive und therapeutische Impfungen in ihrer Zielsetzung und Anwendung.
Präventive Impfung in der Krebstherapie
Präventive Impfungen zielen darauf ab, das Risiko einer Krebserkrankung zu senken, indem sie vor Infektionen schützen, die mit der Entstehung von Krebs in Verbindung gebracht werden können. Sie werden verabreicht, bevor eine Person Krebs entwickelt, also in der Regel lange vor einer möglichen Erkrankung. Ein bekanntes Beispiel ist der HPV-Impfstoff, der gegen das humane Papillomavirus wirkt und Gebärmutterhalskrebs vorbeugt.
Therapeutische Impfungen in der Krebstherapie
Therapeutische Impfungen sind darauf ausgelegt, das Immunsystem zu aktivieren, um bestehende Krebszellen im Körper zu erkennen und zu zerstören. Aktuell gibt es nur eine zugelassene Therapie, während sich weitere in der Entwicklung befinden. In Zukunft sollen diese Impfungen ein wichtiger Bestandteil moderner Behandlungsstrategien sein und in Kombination mit anderen Therapien wie Chemotherapie oder Immuntherapie eingesetzt werden. Ihr Ziel ist es, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, indem sie eine gezielte und spezifische Immunantwort gegen die Tumorzellen auslösen.
Unter den verschiedenen Ansätzen der therapeutischen Impfung stellen mRNA-basierten Krebsimpfstoffe eine besonders innovative Entwicklung dar. Während mRNA-Impfstoffe durch die COVID-19-Pandemie bereits viel Aufmerksamkeit erhalten haben, könnte ihr größtes Potenzial in der zukünftigen Krebsbekämpfung liegen.
Im Gegensatz zu traditionellen Impfstoffen, die abgeschwächte oder inaktive Formen von Krankheitserregern enthalten, basieren mRNA-Impfstoffe auf genetischen Anweisungen. Diese Impfstoffe nutzen die Messenger RNA (mRNA), um dem Immunsystem den genetischen Code über spezifische Tumorantigene zu übermitteln. Nach der Impfung gelangt dieser Code in gesunde Körperzellen, wo er abgelesen wird, um das entsprechende Protein herzustellen und eine Zeit lang an der Oberfläche zu präsentieren. Das Immunsystem erkennt dieses so genannte Spike-Protein als fremd und entwickelt eine gezielte Immunantwort gegen Zellen, die dieses Protein produzieren – in diesem Fall gegen die Krebszellen.
Die mRNA-Technologie zeichnet sich durch ihre außergewöhnliche Flexibilität aus, da mRNA-Impfstoffe rasch an spezifische Tumormutationen angepasst werden können. Im Vergleich zu traditionellen Impfstoffen, die Schwierigkeiten haben, sich an neue Virusvarianten anzupassen, ist diese schnelle Anpassungsfähigkeit in der Krebsbehandlung besonders vorteilhaft, da Tumore oft schnelle genetische Veränderungen durchlaufen.
Weltweit gibt es zahlreiche Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die sich intensiv mit diesen innovativen Therapieansätzen befassen. Firmen wie BioNTech, Moderna und CureVac sind führend in der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen.
Durch den erfolgreichen Einsatz der mRNA-Technologien in der COVID-19-Pandemie verfügen BioNTech und Moderna über die notwendigen Ressourcen und das Know-how, um die Entwicklung von Krebsimpfstoffen voranzutreiben.
BioNTechs mRNA-Krebsimpfstoffe: Fortschritte in klinischen Studien
BioNTech arbeitet derzeit an mehreren vielversprechenden mRNA-basierten Krebsimpfstoffen. Erst vor wenigen Tagen wurden die ersten Patienten der Phase II Studie von BNT116, an 34 Forschungszentren in sieben Ländern (u.a. GB, USA und Deutschland), mit der ersten Impfdosis behandelt. Hierbei soll der Wirkstoff an insgesamt ca. 130 Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs getestet werden. Ein weiterer bedeutender Fortschritt in der klinischen Forschung von mRNA-Krebsimpfstoffen ist die Zusammenarbeit zwischen BioNTech und dem britischen Gesundheitsdienst NHS. Die beiden Kooperationspartner starteten die erste groß angelegte, umfassende Studie zur Wirksamkeit des Krebsimpfstoffes BNT122, die es tausenden von Patienten in Großbritannien ermöglicht, frühzeitig Zugang zur innovativen Therapie gegen Darmkrebs zu erhalten. Ein zentrales Element dieser Studie ist das „Cancer Vaccine Launch Pad“, das die Identifizierung geeigneter Patienten für personalisierte Behandlungen beschleunigt. Auch im Rahmen dieser Studie bekamen die ersten Patienten in UK in den letzten Monaten ihre erste Impfdosis. Diese Entwicklungen könnten den Weg für eine neue Ära der personalisierten Medizin ebnen, die Krebs möglicherweise präventiv bekämpfen kann.
Moderna: Vielversprechende Daten zur mRNA-Therapie
Moderna hat auf dem ASCO-Kongress (03.06.2024) in Chicago beeindruckende Ergebnisse einer wegweisenden Studie zur mRNA-Therapie – mRNA-4157 (V940) – präsentiert. In der Studie, die fast drei Jahre dauerte und somit die bisher längste Beobachtungszeit für eine mRNA-Therapie gegen Krebs darstellt, wurden über 150 Patienten mit besonders aggressivem, schwarzem Hautkrebs untersucht. Die Kombination aus dem maßgeschneiderten mRNA-Impfstoff und dem Antikörper Keytruda zeigte, dass das Rückfall- oder Todesrisiko im Vergleich zur Kontrollgruppe, die nur Keytruda erhielt, um 49 Prozent reduziert wurde. Das Risiko von Fernmetastasen sank um 62 Prozent. Fast 75 Prozent der Patienten, die die mRNA-Therapie erhielten, lebten nach zweieinhalb Jahren noch, während in der Kontrollgruppe nur knapp die Hälfte der Patienten überlebte. Diese Erkenntnisse belegen die Effektivität der Therapie und markieren einen bedeutenden Fortschritt in der Krebsbehandlung.
Die Entwicklung von mRNA-Krebsimpfstoffen schreitet vielversprechend voran und könnte neue Wege in der Krebsbehandlung eröffnen. Dabei liefern sich BioNTech und Moderna ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen um die Erstzulassung. Beide Unternehmen sind optimistisch: Moderna strebt eine beschleunigte Zulassung in den USA und möglicherweise in der EU bis 2025 an, während BioNTech eine Zulassung bis 2026 ins Auge fasst. Trotz aller Fortschritte stehen die Forscher weiterhin vor Herausforderungen, wie der Komplexität und den hohen Kosten der personalisierten Impfstoffentwicklung sowie der Notwendigkeit umfangreicher klinischer Studien für eine Garantie der Wirksamkeit und Sicherheit. Trotz aller Herausforderungen geben die bisherigen Fortschritte Grund zur Hoffnung, dass die mRNA-Technologie die Krebstherapie in naher Zukunft revolutionieren könnte.
Quellen:
Hautkrebs: Moderna-Studie weckt Hoffnungen auf den weltweit ersten mRNA-Krebsimpfstoff - DER SPIEGEL
Krebs: Kommt der erste mRNA-Impfstoff? - SWR Wissen
Moderna will 2025 Impfstoff gegen schwarzen Hautkrebs auf den Markt... (aerzteblatt.de)
NHS England » Thousands of NHS patients to access trials of personalised cancer ‘vaccines’
World-first lung cancer vaccine trials launched across seven countries | Lung cancer | The Guardian